Die Zeit der großen Pyramiden – Das Alte Reich (2650 – 2190 v. Chr.)

Der Beginn des Alten Reiches ist mit Sicherheit ein Höhepunkt in der ägyptischen Geschichte. Aus den Mastaba-Gräbern der 1. Dynastie entwickelten sich die ersten monumentalen Steinbauten. Diese waren das Werk von zwei überragenden Persönlichkeiten. Zum einen des bedeutenden Königs der 3. Dynastie Djoser, der um 2650 die Residenz des Reiches nach Memphis verlegt und zum anderen seinem genialen Kanzler Imhotep. Imhotep war Hohepriester von Heliopolis sowie Oberbaumeister des Königs und der erste Künstler, dessen Name in die Geschichte einging. In Ägypten blieb sein Andenken lange lebendig. An der Stelle seines vermuteten Grabes fand man ein in Fels gehauenes Labyrinth von Gängen. Diese waren mit einer Vielzahl von Ibismumien ausgestattet. Der Ibis galt in Ägypten zu dieser Zeit als heiliger Vogel. Die Vogelmumien waren in Tonkrügen aus der ptolemäischen zeit aufbewahrt. Sie deuten darauf in, dass Imhotep mit dem Gott der Heilkunde Aklepios gleich gesetzt wurde.
Die von Djoser erbaute sechsstufige Pyramide mit dem umliegenden Tempelbezirk in Saqqara umfasste etwa 15 Hektar und war von einer 10 m hohen Kalksteinmauer umgeben. Die Anlage beherbergte zahlreiche Nebengebäude, Kapellen, Opferstätten und Magazin. Hier hat sich die königliche Residenz in Stein verewigt. Dieses gewaltige Werk war ausschließlich von einer religiösen Idee bestimmt. Unter der 60m hohen Stufenpyramide befand sich in 28 m Tiefe die Grabkammer des Königs. Eine zweite wurde an der Südseite der Umfassungsmauer gefunden. Beide Kammern waren ähnlich ausgestattet mit Schlaf-, Aufenthalts- und Speicherräumen. Die Wände waren mit kleinen gewölbten blauen Fayence-Kacheln bedeckt, welche Schilfmatten nachahmten. Über dem Türbogen ist ein schönes Relief, welches Djosers zeigt. Noch ist unklar ob die zwei Grabanlagen eine Beziehung zu der doppelten Stellung des Herrschers als König von Unter- und von Ägypten hat. Eine 54 m lange Prozessionshalle bildet den Auftakt zu dem Herrscherkomplex. Sie wird von rot bemalten, kanellierten Halbsäulen flankiert. Ein großer Platz innerhalb der Anlage diente wahrscheinlich zeremoniellen Wettkämpfen. In einem separaten Hof fand die Hebsed-Feier, das Fest des Regierungsjubiläums statt. An seinen Längsseiten standen Kapellen für jede der Provinzen. Zu den schönsten architektonischen Details gehören die Papyurshalbsäulen des Nordbaus, deren Kapitelle den glockenförmigen Becher der Blüte in Stein nachahmen.
Die Elemente dieses Bauwerks sind für die weitere Entwicklung richtungweisend. Der Glaube an die Fortexistenz im Jenseits in Ägypten wurde nie überzeugender und strahlender realisiert als in diesem heiligen Bezirk.
Fast vollständig erhalten fand man die steinerne Staute des sitzenden Djoser nahe der Pyramide. Eine majestätische Würde geht von der Gestalt aus. Auf dem Oberschenkel liegt die linke Hand flach auf, die rechte ist zur Faust geballt vor der Brust. Das Holzrelief des Hesire ist ein ebenso großartiges Werk aus dieser Zeit. Hesire war einer der führenden Hofbeamten und Schreiber des Königs. Die Einzelheiten des Körpers sind scharf beobachtet und in meisterhaften Proportionen dargestellt.
1953 wurde unter einem Hügel aus Ziegeln, Erde und Kalksteinblöcken eine weitere Pyramide entdeckt. Sie liegt in der Nähre von Djosers Pyramide und ist noch unvollendet. Ein Jahr später entdeckte man den Eingang zu einer Reihe unterirdischer Räume und Schächte. Man fand unter einem von ihnen, von einem großen Steinblock versperrt, einen Gang in dem herrlicher Schmuck gefunden wurde. Er gehörte vermutlich der königlichen Familie. Dort wurden auch eine Vielzahl von Dirorit- und Albastervasen, sowie kleine konische Krüge gefunden, die mit dem Siegel des Königs Sechem-Chet, des Nachfolgers von Djoser, verschlossen waren. In dem gewachsenen Felsboden stieß man 72 m vom Eingang der Pyramide entfernt auf eine rechteckige, 5 m hohe Kammer mit einer Grundfläche von 9 auf 5 m. In der Mitte stand ein Sarkophag aus durchscheinendem, honigfarbenem und zart geädertem Alabaster von 2m Länge. Der Sarkophag war noch verschlossen, aber leer. Man vermutet, dass es sich hierbei um ein rituelles Begräbnis handelte.
Mit Snefru, dem ersten König der 4. Dynastie, beginnt die Zeit der großen Pyramiden. In seiner 24jährigen Regierungszeit baute er drei unterschiedliche Pyramiden. Die erste entstand in Medum, 70 km südlich von Gise in Oberägypten. Der Bau war bereits von seinem Schwiegervater begonnen und wurde von ihm in drei Bauphasen vollendet. Die Art der Steinbehandlung führte schließlich zu der künftigen Pyramidenform mit glatten Flächen. Die Anlage verband einen Taltempel, eine Opfertempel und die Pyramide über einen Aufweg. Diese Konzeption symbolisierte die Transformation des toten Königs in einen lebendigen Gott. Zwei weitere Pyramiden ließ Snefru in Dahschur, wenige Kilometer von Saqqara entfernt, errichten. Eine hatte im oberen Teil einen flacheren Neigungswinkel als an der Basis und wird deshalb "Knickpyramide" genannt. In ihr befanden sich zwei Grabkammern. Sie hatte eine Höhe von 97 m. Ende der 50er Jahre wurde der dazu gehörige Opfertempel entdeckt. Im dritten Bau Snefrus, der Roten Pyramide, waren die typischen Steinverkleidungen der späteren Pyramiden schon mit eingeplant. Man betrachtet sie daher als die erste klassische Pyramide. Ihre Basis hat die gleichen Maße, wie die Cheops-Pyramide. Die Konstruktion über diese Riesenfläche ist imponierend.
Der Pyramidenbau fand seine Vollendung unter den Königen Cheops, Chepheren und Mykerinos zwischen 2600 und 2480 v. Chr. Sie errichteten in Gise auf dem Westufer des Nils, gegenüber von Kairo diese, nach ihnen benannten, Pyramiden. Von ihnen ist die Cheops-Pyramide die mächtigste. Sie hat eine Seitenlänge von 234 m und eine Höhe von ursprünglich 146 m. Die Organisation und Materialbeschaffung, wie auch der Bau selbst stellt eine enorme Arbeitsleistung dar. Über 2 Millionen Kalksteinblöcke, mit einem Gewicht bis zu 15 Tonnen mussten auf Erdrampen von Menschen und Zugtieren bewegt werden. Die Blöcke für das Innere wurden an Ort und Stelle gebrochen. Die Steine für die Verkleidung kamen von der anderen Seite des Nils und wurden mit Schiffen an einen Landeplatz am Rand der Wüste gefahren. Alle Pyramiden sind nach den vier Himmelsrichtungen ausgerichtet und stehen auf einer quadratischen Basis. Dem Quadrat kam bei den Ägyptern eine besondere symbolische Bedeutung zu. Neu an der Architektur der Cheopspyramide ist, dass die Grabkammer nicht mehr unterirdisch angelegt ist. Kleinere Pyramiden und zahlreiche Mastabas für die königlichen Familienmitglieder und die höheren Hofbeamten, umgeben die Cheops-Pyramide. Ebenso wie die Pyramiden haben die Mastabas jetzt ihre einfachste Form gefunden. Die Idee des Gottkönigs und des Staatskosmos fand hier eine vollkommene Verwirklichung. Im Osten jeder großen Pyramide lag ein Totentempel. Er war durch einen gedeckten Gang von etwa 500 m Länge mit dem Taltempel verbunden. Nur der Gang des Chephren ist erhalten. Hier finden sich hallen für die Reinigung und Mumifizierung des Königs. Neben dem Tempel steht direkt aus dem Fels gehauen, die Große Sphinx. Ursprünglich trug sie wohl die Züge des Herrschers und stellte ihn als Sonnengott dar. Im Inneren des Tempels standen über 20 Statuen des Königs aus Diorit. Sie waren aus Alabaster und Schiefer gefertigt. Von allen Statuen ist nur eine erhalten geblieben. Sie ist mit der Technik der Steinbearbeitung und in ihrer Ausdrucksstärke ein wahres Meisterwerk der Skulpturen. Ebenso bedeutend ist die Statue des Mykerinos und seiner Gemahlin. Hier werden weibliches und männliches Schönheitsideal überzeugend gegenüber gestellt.
Eine der aufregendsten Entedeckungen in Gise war der Fund der Barke des Cheops. Bei Aufräumarbeiten der Sand- und Trümmerhaufen im Süden der Großen Pyramide stieß man auf 83 große Kalksteinblöcke in zwei Reihen. Sie lagen von Osten nach Westen unter einer kleinen, grob gebauten Mauer. Diese Blöcke verdeckten zwei Hohlräume, in denen sich Boote befanden. Es war nicht das erste Mal, dass Hohlräume gefunden wurden, die eigens für die Unterbringung von Schiffen gebaut worden waren. Aus der Nähe der Großen Pyramide kannte man schon drei solche Anlagen, die jedoch leer waren. In einen der etwa 20 Tonnen schweren Blöcke wurde durch ein Bohrloch eine Fotosonde eingeführt. Die Aufnahmen zeigten ein Boot aus libanesischem Zedernholz, welches sehr gut erhalten war. Im Allgemeinen verwendeten die Ägypter das Holz von Akazien oder Feigenbäumen aus der Umgebung. Für heilige und zu großen Fahrten bestimmte Schiffe ließen sie aus Syrien Fichten- oder Zedernholz kommen. Genaue Untersuchungen des gefundenen Bootes ergaben, dass das Deck aus Fichtenholz, der Rumpf aus Zedernholz gefertigt war. Außer der Schiffsausrüstung der der langen Taue wurden keine Gegenstände gefunden. Zunächst richtete sich das Interesse auf die Art des Bootes selbst. An diesem Beispiel konnte die Technik des Schiffbaus der alten Ägypter untersucht werden. Erst im nächsten Schritt fragte man sich nach der Verwendung und der Bestimmung der Barke. Nie zuvor war ein so vollständig erhaltenes Boot in dieser Größe und von so hohem Alter (ca. 2550 v. Chr.) gefunden worden. Seltsamerweise war das Schiff vor seiner Aufstellung in einzelne Teile zerlegt worden. Auch waren die verschiedenen Teile nur aneinander gestellt, ohne miteinander verbunden zu sein. Vielleicht wurde die Barke absichtlich seeuntüchtig gemacht, damit die unruhige Seele des Königs nicht das Weite suchen konnte. Aus diesem Grund waren auch die Schiffe der Wikinger von Gokstad und Oseberg, welche die sterblichen Überreste des Königs trugen, mit dicken Tauen an Felsen gebunden, obwohl sie auf Land lagen und mit Erde zugeschüttete waren. Die Cheops-Barke hatte weder Segel noch Mast. Ob nun das Boot als Fahrzeug gedient hat oder symbolische Funktion hatte, ist nicht genau geklärt. Darstellungen von Seelenbarken für die letzte Reise der Verstorbenen ähnelten dem Sonnenschiff, welches in Abu Gurab, etwa 15 km südlich von Gise, aus Lehmziegeln errichtet war. Nach ägyptischem Glauben fuhr damit der Sonnengott Ra über den Himmel. Auch aus den Mastabas des Alten Reiches kennen wir Schifffahrtsszenen. Möglicherweise war die Cheops-Barke für eine einfache Aufgabe bestimmt. So könnte es sein, dass sie als Transportmittel für den Sarkophag des Königs und seiner Grabausstattung bis zum Taltempel diente.
Auch die Herrscher der 5. und 6. Dynastie bauten noch Pyramiden. Die Anlagen aus dieser Zeit von Abusir und Saqqara zeigen längst nicht mehr diese gewaltigen Ausmaße. Auch die verwendeten Steinblöcke waren längst nicht mehr so riesig. Neben jeder Pyramide erscheint nun als Neuerung ein Tempel des Sonnengottes, nach dem Vorbild des Sonnenheiligtums von Heliopolis. Schon unter den Chephren war die Vorstellung dass der Pharao eine persönliche Verwirklichung Gottes sei, derjenigen gewichen, dass der Pharao ein Sohn des Ra, des Sonnengottes, sei. Dieses neue Vater-Sohn-Verhältnis bedeutete, dass über dem König ein höheres und reineres Wesen stand.
Der Tempel des Ne-User-Re in Abu Gurab vermittelt das bild eines Sonnenheiligtums. Er wurde um 2400 v. Chr. Erbaut. Im Mittelpunkt steht ein riesiger gemauerter Obelisk auf einem Unterbau. Davor ist ein massiver Opferaltar aus Alabaster zu sehen. Ein Aufweg verband den 100 m langen und 75 m breiten Bezirk des Sonnenheiligtums mit einer großen Tempelanlage im Tal. Neben diesem Heiligtum stand die Sonnenbarke. Das letzte große Bauwerk des Alten Reiches ist die Pyramidenanlage des Königs Phiop II. aus der 6. Dynastie (um 2200 v. Chr.). Sie vereint die gesamte Überlieferung noch einmal.
In dieser letzten Periode des Alten Reiches sind nicht Vollplastiken wie in der zeit Cheops', sondern Reliefdarstellungen in den Aufwegen zu den Heiligtümern zu sehen. Vor allem die Tempelhallen, aber auch die Privatgräber spiegeln das künstlerische Anliegen dieser Epoche wieder. Die neuen Glaubensvorstellungen scheinen zu einem neuen Erleben der Vielfältigkeit der Welt zu führen. So wurden alltägliche, individuelle Szenen dargestellt. Sie zeigten die Menschen bei der Jagd, beim Fischen, bei Spiel und Tanz und im alltäglichen Leben auf dem Feld und im Haus. Auch die Pflanzenwelt, das Leben der Tiere, Überschwimmungen sowie das Wachsen der Aussaat wurden zum ersten Mal dargestellt. Aber auch Kampfhandlungen und Schiffsexpeditionen sind immer noch ein beliebtes Motiv. Die schönsten Reliefs stammen aus dem Sonnenheiligtum des Ne-user-Re, dem Aufweg zur Pyramide des Königs Unas und aus den Gräbern des Priesters Ti und des Statthalters Mereruka in Saqqara. Diese Darstellungen sind erstaunlich realistisch und künstlerisch.