Erste Zwischenzeit und Mittleres Reich (2190 – 1640 v. Chr.)
Der Tod von Phiops II. führte zum Auseinanderbrechen des Staatsgefüges. In
den dicht besiedelten Gegenden führte das Verschwinden einer zentralen
Macht und Organisation zu Versorgungsschwierigkeiten, Aufständen und
Notsituationen. Nominelle Könige standen der starken Macht der
Gaufürsten hilflos gegenüber. Im Norden, in Herakleopolis wurden von der
9. und 10. Dynastie die staatlichen, religiösen und wirtschaftlichen
Probleme erkannt und zeitweise mit Erfolg überwunden. Doch erst nach dem
thebanischen Fürstengeschlecht aus dem Süden unter Menthuhotep gelang es
um 2050 v. Chr. die Länder im Mittleren Reich wieder zu einigen. Die
Hauptstadt wurde von Memphis in den Süden verlegt. Theben, mit den
Tempelstätten Karnak und Luxor wurde gegründet. In der monumentalen
Grabanlage des Menthuhotep, an der Südseite des Talkessels von Deir el
Bahari, sind die Bauformen der oberägyptischen Felsengräber und der
Pyramiden vereint. Dabei war die Pyramide selbst nur ein Gedächtnismal. In
deren Nähe waren die Gräber der Angehörigen der königlichen Familie, reich
mit Reliefs geschmückt.
Die Könige der 11. Dynastie befassten sich vor allem mit auswärtigen
Unternehmungen. Sesostris I., aus der 12. Dynastie erreichte die
Kolonisation des Faijum und organisierte das Staatswesen neu. In dieser
Zeit herrschte reger Handelsverkehr mit Vorderasien. Die Hauptstadt
wurde wieder in den Norden, in die Nähe von Memphis, verlegt. Die Herrscher
Sesostris III: und Amennemhet III. führten erfolgreiche Feldzüge in
Palästina und nach Nubien. Nubien wurde hier endgültig für das reich
erobert. Die 12. Dynastie führte Ägypten auf den Höhepunkt seiner Macht.
Innere und äußere Möglichkeiten wurden verwirklicht, ohne die Ressourcen
des Landes zu erschöpfen. Nach dem Zusammenbruch der Lebensordnung des
Alten Reiches wurde eine neue Ordnung geschaffen, welche auf stärkere
Bewusstheit und Planmäßigkeit gründete.
Während die Königsstatuen des Alten Reiches in abstrahierter und starrer
Würde den Gottkönig verkörperten, scheinen die Skulpturen des Mittleren
Reiches menschlicher und irdischer. Sie weisen echte Porträtzüge auf und
drücken neben Tatkraft und Selbstbewusstsein auch die Last der
Verantwortung, sogar Schwermut aus. Die Gesichtszüge sind detaillierter
herausgearbeitet. Man kann deutlich zwischen Jugend- und
Altersbildnissen unterscheiden. In dieser Epoche entstanden die
beeindruckendsten Bildhauerkunstwerke in Ägypten. Die Technik des
versenkten Reliefs mit scharfen Graten wurde perfekt entwickelt. Die
Umrisslinien wurden tiefer eingeschnitten als die Binnenformen, so dass
die Darstellungen auch bei hellem Licht auf den großen Tempel- und
Mauerwänden klar abzeichneten. Die kleinen Modellfiguren, die als
Grabbeigaben dienten, geben Einblicke in die Szenen aus dem handwerker-
und Haushaltsleben, aber auch Schifffahrtsszenen finden sich hier
wieder.