Das Neue Reich (1550 – 1070 v. Chr.)
Ägyptens Aufstieg zum Neuen Reich ging wiederum vom Süden, genauer gesagt
von Theben aus. Um 1570 v. Chr. vertrieb die 18. Dynastie die
Hyksos-Herrscher. Hier beginnt die glanzvollste, über 200 Jahre währende
Epoche in der Geschichte des Landes. Große auswärtige Erfolge und die Fülle
der kulturellen Hinterlassenschaften sind mit den Namen der Könige
Amenophis I., bis Amenophis IV., Thutmosis I. bis Thutmosis IV, Haremheb
und der Königin Hatschepsut verbunden.
Unter der 18. Dynastie wurden alte nubische Besitzungen wieder gewonnen
(Tutmosis III.), die Grenzen des Landes wurden bis zur 4. Stromschnelle
vorgeschoben und über das neue Gebiet wurde ein Vizekönig eingesetzt.
Nubien mit seinen hohen Bevölkerungszahlen und seinem großen
Goldreichtum war eine Grundvoraussetzung für Ägyptens Weltgeltung. Der
bedeutendste Herrscher dieser Dynastie vereinbarte politische
Zielstrebigkeit mit einem klaren Blick für das Erreichbar. Er führte 16
Feldzüge gegen Palästina und Syrien durch. Dabei unterwarf er die
zahlreichen, rivalisierenden Stadtfürsten und sicherte so dem Reich die
Gebiete, die sein Vater Thutmosis I. erobert hatte. Nach dem Sieg über
Megido in Palästina besetzte er die wichtige Stadt Kadesch am Orontes.
Dieser Feldzug bracht ihm reiche Beute, darunter allein 2041 Pferde ein.
Die militärische Überlegenheit der Ägypter war auf die straffe
Organisation des Heeres und auf den Einsatz der Streitwagentruppen zurück
zu führen. Die jahrzehntelange Auseinandersetzung mit den Mitanni endete
durch die Aufrechterhaltung der Oberhoheit über das gesamte Küstenland
Palästinas und Syriens bis zur Orontes-Mündung. Nordsyrien verblieb im
Machtbereich der Bergvölker.
Gleichzeitig mit den äußeren Siegen wuchsen die Autorität und die
Entwicklung zu einem absoluten Herrschertum, welches von Pharao zu Pharao
weitergegeben wurde. Alle stimmten in dem Willen ein Weltreich zu
errichten und zu erhalten überein. Eine Ausnahme bildete die Königin
Hatschepsut. Sie war die Witwe Thutmosis II und übernahm für den erst fünf
Jahre alten Thronfolger die Herrschaft. Diese gab sie auch nicht ab, als
dieser herangewachsen war. Sie regierte 22 Jahre bis zu ihrem Tod.
Hatchepsut war eine selbstbewusste, ehrgeizige Regentin. Sie trug den
Titel eine "Königs von Oberägypten und Unterägypten". Auf Darstellungen
ist sie immer mit allen Attributen eines Pharaos und mit einem männlichen
Körper dargestellt. Nur das Gesicht besitzt manchmal echte weibliche
Anmut. Im Gegensatz zu ihren Nachfolgern war sie friedliebend und ließ das
wiederherstellen, was die Hyksos-Zeit zerstört hatte. Die erste
Amtshandlung ihres Sohnes Thutmosis III, war ein Dekret, in dem er
anordnete Hatschepsuts Namen und Bildnisse seien von allen öffentlichen
Gebäuden zu entfernen. Er konnte es sich glücklicherweise nicht erlauben
den großartigen Tempel in Deir el Bahari zu zerstören. Dieser ist mit dem
Namen der Königin fest verbunden und als Heiligtum war er dem obersten Gott
Amun geweiht. Was jedoch sonst im Einzelnen an Hatschepsut erinnerte wurde
vernichtet. Die zertrümmerten Statuen warf man auf einen Steinhaufen in
der Nähe des Tempels. Das bedeutendste Bauwerk der 18. Dynastie ist der
große, in Terrassen angelegte Totentempel. Er wurde um 1500 v. Chr. von dem
genialen Architekt, Kanzler und Vertrautem der Königin, Senmut,
errichtet. Senmut vereinte alle Schlüsselstellungen des Reiches in einer
Hand. Seine Grabstätte wurde neben seinem großartigen Werk gefunden. In
ihm finden sich Elemente von dem benachbarten Heiligtum des Mentuhotep
auf.
Über drei aufeinander folgende Terrassen, welche durch Rampen verbunden
sind, führt der Weg zur Grabkammer im Felsen. Die gesamte Anlage ist mehr als
doppelt so groß wie die des Mentuhotep. Links auf der dritten Terrasse
befindet sich ein Schrein für die Göttin Hathor. Hathor galt als die
lebensspendende Allmutter und wurde oft in Gestalt einer Kuh dargestellt.
Dieses Relief ist eines der schönsten aus dieser Epoche. Selten in der
Geschichte wurden Menschenwerk und Natur großartiger gegenübergestellt
als im Tempel der hatschepsut. Die unvollendete Grabstätte des
Architekten trägt noch die Inschrift mit Tinte, an welchem Tag die Arbeiten
eingestellt wurden, nämlich am 29. Tag des 4. Monats der Überschwemmung.
Möglicherweise war Senmut plötzlich gestorben oder nach seinem Tod bei
seiner Gönnerin in Ungnade gefallen. Die Ausstattung seines Grabes
unterscheidet sich nicht von anderen dieser Epoche. Außergewöhnlich ist
jedoch eine auf die Decke der Totenkammer gezeichnete Himmelskarte. Sie
gibt Aufschlüsse über die astronomischen Kenntnisse der Ägypter. Die
Sternkonstellationen sind mit Zeichen und Attributen dargestellt.
Auffällig ist vor allem die Darstellung des Sirius oder Sothis. Auf seine
Umlaufzeit basiert der alte ägyptische Kalender.
Der ägyptische Kalender ist der Vorläufer von unserem Kalender. Er entstand
aus praktischen, vor allem aus landwirtschaftlichen Bedürfnissen. Das
ganze Leben in Ägypten hing vom Nil ab. Besonders alle Arbeiten im
Zusammenhang mit dem Fruchtanbau wurden durch das Anschwellen des Flusses
bestimmt. Dies wiederholt sich mit mathematischer Regelmäßigkeit alle
Jahre. Diese Wiederholung der lebensnotwendigen Überschwemmungen zwang
die Uferbewohner, ein genaueres System der Zeitmessung, als den
Mondkalender zu finden. Sirius erscheint in Memphis und in Heliopolis an
dem Tag, an welchem die Flut diese Städte errecht. Aufgrund dieses
Ereignisses entwickelte ein genialer Mann, vermutlich aus Memphis oder
Heliopolis einen Kalender. Er war vor allem für den Gebrauch für die Bauern
bestimmt. Der heliakische Aufgang des Sirius ist dort verzeichnet. Er
steht für den Beginn des offiziellen Jahres und damit für den Anfang des
Ackerbau-Zyklus. Zu den 12 Monaten des offiziellen Jahres, die jeweils 30
Tage beinhalteten, wurden 5 Schalttage hinzugerechnet.
Die Anlage der Felsengräber, welche westlich von Theben liegen geht auf
Amenophis I., den Begründer des neuen Reiches, zurück. Hier sind die
Kultstätte und das Grab des Toten voneinander getrennt. Die letzen zwölf
friedlichen Jahre widmete Thutmosis III. dem inneren Aufbau seines
Riesenreiches und der Errichtung des Hauptheiligtums, des Gottes Amun in
Karnak. Unter Amenophis III erreichte Ägypten seinen Höhepunkt an
Weltgeltung. Er ließ in Luxor den mächtigen Tempel für den Gott Amun, seine
Gemahlin Mut und ihren Sohn Chons errichten. Der Bau wurde jedoch erst
hundert Jahre später vollendet. Sei Grundriss war jedoch für viele spätere
Bauten richtungweisend. Auf beiden Seiten des Eingangs stehen massive
Maueren und bilden durch ihre Tiefe einen Torweg, der zum ersten Hof führt.
Man gelangt durch eine Säulenhalle in den zweiten Hof und durch eine weitere
Säulenhalle in den eigentlichen Tempel. Hier umschließen gleichmäßig
angeordnete Räume und Kapellen das Allerheiligste. Der ganze
Tempelbezirk war von hohen Mauern umgeben. Die gebündelten Papyrussäulen
sind schlank, haben aber nicht mehr die Eleganz wie im Alten Reich. Im Tempel
standen fast 600 Statuen der löwenköpfigen Göttin Sachmet. Die
Wandmalereien in den Gräbern geben ein anschauliches Bild des Lebens der
großen Empfänge, Krönungen und Feldzüge, aber auch der privaten Sphäre.
Als man die Begräbnisstätten hoher Würdenträger am Hofe Amenophis III.
entdeckte würde ein Totentempel des Architekten Amenophis, des Sohnes des
Hapu gefunden. Sein Ansehen war so groß und so weit verbreitet, dass Zitate
von ihm in die "Sprüche der Sieben Weisen Griechenlands" eingingen. Man
ehrte sein Andenken, indem man ihm Bestattungsehren erwies, die bislang
nur den Angehörigen des Königshauses vorbehalten waren. Ihm ist es vor
allem zu verdanken, dass Theben zur ersten monumentalen Stadt des
Altertums aufstieg.