Die Gerzeen Kultur (Negade II)
Während in den eigenständigen Badari- und Amratien-Kulturen (4000 bis 3600
v. Chr.) traten vorderasiatische Elemente auf. Die Folgende
Gerzeen-Kultur (Negade II) zeigte vor allem in ihrer letzten Phase Spuren
einer stärkeren kulturellen Verbindung zwischen Ägypten und
Mesopotamien sowie zu Palästina. Es ist nicht geklärt ob die Begegnung mir
fremdem Gedankengut über die Sinai-Halbinsel oder auf dem Seeweg über das
Rote Meer erfolge. Damals wanderten westsemitische Stämme in das östliche
Nil-Delta. Vor allem die regen Handelsbeziehungen förderten die rasche
Entwicklung. Diese Kultur erstreckte sich zum ersten Mal über das gesamte
Nil-Delta und legte damit die Grundlagen für den folgenden Einheitsstaat.
Ägypten erhielt damit einen Anstoß von außen durch die überlegene
Bronzekultur Vorderasiens, um sein eigenes Wesen, seine eigene Welt zu
entfalten.
Im frühen Gerzeen, etwa 3400 v. Chr. Unterschied sich die Bestattungsweise
nicht wesentlich von der im vorhergehenden Amratien. In Hierakonpolis
weist jedoch eine Anlage mit Wandmalereien auf Ziegelmauern, besonderen
Grabbeigaben und der Konservierung des Körpers auf den späteren
Begräbniskult hin. Menschen waren bemüht dem Verstorbenen eine Existenz
im Jenseits zu sichern, welche dem irdischen Dasein möglichst ähnlich war.
Noch sind die Darstellungen auf den Wandbildern sehr einfach und
zusammenhangslos über die ganze Fläche verteilt. Die abgebildeten
Menschen sind hieroglyphenhaft vereinfacht. Vermutlich handelt es sich
um den Versuch, alltägliche Szenen abzubilden, so wie es später auch in den
Gräbern des Alten Reiches geschah. Die Jagd-, Fest-, Tanz- und
Schiffszenen sollten dem Toten helfen auch in der anderen Welt all das
wieder zu finden, was er in dieser liebte.
In der Gerzeen-Keramik, die im Süden auf den großen Friedhöfen von Negade und
Ballas gefunden wurde, fallen vor allem große Krüge mit geschwungenen
Griffen auf. Sie ähneln Funden aus Palästina. Diese rot bemalten Tonwaren
sind mit Ornamenten, Spiralen, Wellenlinien, Dreiecken oder mit
stilisierten Tieren und Menschen bemalt. Besonders häufig finden sich
Schiffszenen. Diese strenge Stilisierung, die wohl durch religiöse
Vorstellungen bestimmt war, verdrängte die naturnahere Welt der Jäger aus
der Stufe von Badari. Die Darstellungen von Schiffen verschiedener Typen
mit Standarten waren mit Sicherheit zum einen von der zunehmenden
Bedeutung dieses Beförderungsmittels im Handelsverkehr beeinflusst.
Zum anderen hat sie aber schon einen kultischen Sinn, nämlich den der
Seelenbarke. Schiffe erscheinen auch auf den Felsbildern der
Standarten-Leute und auf den Wandmalereien von Hierakonpolis. Die
Nachahmung von Form und Material der Steinvasen in Keramik ist in der
Gerzeen-Kultur neu.